Kurz vor dem Serienstart berichtet die NW über den derzeitigen Stand der überkreislichen Bielefelder Herren- und Damenteams.
Adler mit gerupften Flügeln
OBERLIGA: Der TuS 97 ist zwar Favorit, hat aber große Personalprobleme
VON GREGOR WINKLER
Bielefeld. Der Adler auf dem Denkmal in Jöllenbeck hat die Flügel weit ausgebreitet. Jeden Moment, so scheint es, könne er sich in die Lüfte erheben, um dort majestätisch zu kreisen. Die Handballer des TuS 97 Bielefeld-Jöllenbeck wollen es ihrem Symbol gleich tun: Abheben und aufsteigen in die Regionalliga.
Schon in der zurückliegenden Spielzeit hatte der TuS 97 lange Aufwind unter den Flügeln. Doch zum Saisonende riss die Strömung plötzlich ab. Hier und da machte sich Unmut breit, was angesichts einer Serie von 2:10 Punkten nur zu verständlich war. Für die Saison 2009/2010 wurde investiert. Mit routinierten Kräften soll der Aufstieg gelingen. Doch nach der Vorbereitung ist die Aufbruchstimmung zur Vorstufe einer mittelschweren Depression mutiert.
Trainer Jörg Harke dürfte schon Muskelkater vom vielen Schulterzucken haben. „Ich rechne mit einem holprigen Saisonstart“, erklärt der Coach, der mit unerwarteten Personalproblemen zu kämpfen hat. Rückkehrer Marco Steffen stieß zunächst spät zum Kader und strahlte in den Testspielen noch keine besondere Torgefahr aus. Ralf Bruelheide plagt sich mit immer mehr Beschwerden (Knie und Achillessehne) herum. Der aus Verl gekommene Neuzugang Jasmin Gojacic stand nach einer Operation überhaupt erst zum Ende der Vorbereitung zur Verfügung. Marcel Vollmer (fällt sicher zum Saisonstart aus) und Sven-Eric Husemann sind angeschlagen. Youngster wie Tim Grothaus und Christian Hoff zogen sich ebenfalls Verletzungen zu. Heiko Eggert vom TuS 97 III wurde reaktiviert, um die Misere auf Rechtsaußen vorübergehend zu beheben.
Ralf Bruelheide unterstützt den Coach bei dessen schwieriger Mission verbal: „Ich beneide ihn nicht um seinen Job. “ Auch der sportliche Leiter Frank Brennecke verkündet nachdenklich: „Viel Gelegenheit zum Einspielen gab es in der Vorbereitung nicht.“ Trainer Harke baute kurzfristig die Abwehr um. „Wir brauchen erstmal die Sicherheit einer 6:0-Deckung“, erklärt er. Die ursprünglich geplante Zweikampf-intensive 3:2:1-Formation wurde zurückgestellt. Doch auch wenn die Testphase alles andere als zufriedenstellend war – der TuS zählt immer noch zu den Favoriten. Neun der 14 Teams nennen die Bielefelder als Titelanwärter.
Den Jöllenbecker Routiniers darf man zutrauen, dass sie unter Wettkampfbedingungen noch 20 Prozent Leistung drauf packen können. Ralf Bruelheide bestätigt, „dass wir Älteren in der Vorbereitung ökonomischer arbeiten müssen als ein 20-Jähriger“. Entscheidend wird aber auch sein, wie die Youngster abschneiden. Um aufzusteigen, werden sie ihr Potenzial nicht nur ausschöpfen, sondern im Laufe der Saison noch erhöhen müssen. Passiert das, dann kann der Adler wirklich stolz am Himmel fliegen.
Blickrichtung oberes Drittel
LANDESLIGA: Brake, TuS 97 II und EGB sehen sich in den gesicherten Tabellenregionen
Ivo Kraft
Bielefeld (ivo). Für gehobenen Landesliga-Handball wollen TuS 97 II, Eintracht Gadderbaum Brackwede (EGB) und Brake stehen. Alle drei Teams sehen sich im oberen Drittel, was zumindest im Fall des Aufsteigers TuS Brake durchaus ambitioniert klingt. Auf die Frage, wie das gelingen soll, hat Trainer Thomas Rolf eine gute Antwort parat: „Indem wir mehr gewinnen als verlieren.“ Allerdings macht Rolf deutlich, dass es ebenso „nur“ die obere Tabellenhälfte werden könnte. Falls es so kommen sollte, würde Rolf sicher nicht der Kopf abgerissen.
Der Bäcker ist nach der Vorbereitung durchaus optimistisch. Seine junge Mannschaft absolvierte einige gute Tests, feilte an ihren vormals nicht überragenden Defensiv-Qualitäten und könnte tatsächlich zu einer positiven Überraschung werden. Rolf: „Entscheidend wird sein, wie wir in die Saison starten und wie lange wir die gute Stimmung halten.“ Anders herum könne es sein, „dass man wie Jöllenbeck letztes Jahr schlecht startet und sich erst freischwimmen muss“.
Besagter TuS 97 II legte nach einem schlechten Auftakt eine starke Serie hin. Obwohl die Vorbereitung gut war, ist Jöllenbecks Heiko Nossek mit einer Prognose vorsichtig. Natürlich weiß der Trainer, dass er über ein fittes und technisch gut ausgebildetes Team verfügt. Dazu kommen echte Verstärkungen wie Trittin oder Duderstadt. Zudem haben sich Youngster wie Tim Werning und Lukas Heins die Hörner abgestoßen und werden sich jetzt in der Landesliga akklimatisieren. Nossek ist aber auch nicht unbekannt, dass die Staffel I, in der Brake und TuS 97 II spielen, sehr ausgeglichen ist. „Das ist anders als in der Parallelstaffel, wo ein paar Teams abfallen. Ich glaube, dass es bei uns eine Mannschaft geben wird, die unerwartet unten reinrutscht“, prognostiziert Nossek.
Als Achillesferse könnte sich die Rückraumbesetzung erweisen. Denn an den Talenten Fynn Kastner und Maik Braunheim hängt schon viel Verantwortung. Fraglich bleibt, wie sie bei den Senioren zurechtkommen oder ob sie sogar in der ersten Mannschaft aushelfen müssen.
Eintracht Gadderbaum Brackwede belegte zuletzt als Aufsteiger Platz fünf. Dieses Abschneiden soll mindestens bestätigt werden, was – wenn man die Einschätzung manches Konkurrenten betrachtet – als Understatement erscheint. „Ganz so hoch würde ich nicht greifen. Immerhin hatte die Mannschaft letzte Saison zwischendurch sogar Abstiegssorgen“, sagt der neue Trainer Hansi Klindt.
Dazu stellten sich zum Ende der Vorbereitung Personalprobleme ein, und auch manches Testspiel wurde verloren. Klindt: „Außerdem steht unsere Deckung weiterhin nicht.“ Der Angriff hingegen funktioniere schon ganz gut. „Wir haben in der Vorbereitung einige gute Spiele gemacht und einiges ausprobiert. Wenn es uns gelingt, gegen jeden Gegner konstant und diszipliniert zu spielen, wird es eine ordentliche Saison.“
Schildesche, TuS 97 III und HSG ambitioniert
BEZIRKSLIGA: Senne und TSG II realistisch
Ivo Kraft / Gregor Winkler
Bielefeld (ivo/gwi). Endlich hat es geklappt. Alle fünf Bielefelder Bezirksligisten spielen in einer Staffel, was die Liga extrem interessant macht. Besonders für Aufsteiger Senne geht es sofort in die Vollen. Zu Beginn hat das Team von Matthias Wieling abgesehen von der Partie in Everswinkel nur kurze Anreisen, vier davon innerhalb des Stadtgebiets. Für das sehr junge Team, ältester Spieler ist der 24-jährige Sebastian Höfer, wird es ein schwerer Aufgalopp. „Ich hoffe, dass wir die nötigen Erfahrungen gleich zu Beginn sammeln“, sagt Wieling.
Bei den anderen Bielefelder Mannschaften verteilen sich die Derbys gleichmäßiger. Im Gegensatz zum Handballteam richten die meisten den Blick eher nach oben. Die TG Schildesche wird offen als Aufstiegskandidat gehandelt, aber auch mit den anderen Mannschaften ist zu rechnen. In Schildesche sieht Trainer Stephan Neitzel die Situation etwas differenzierter. „Wir haben einen Schritt nach vorne gemacht und wollen deshalb besser abschneiden als zuletzt Platz vier.“ Ob sein Team ganz oben mitspielen kann, hänge davon ab, „mit welcher Einstellung wir Woche für Woche zu Werke gehen werden“ (Neitzel).
„Wenn alle die Trainingsmöglichkeit nutzen und wir keine Verletzten haben, sollten wir mit den Möglichkeiten des Vereins zwischen Platz zwei und sechs landen“, sagt Joachim Streu. Der Coach des TuS 97 III hat allerdings keinen Erfolgs-druck. Wichtiger ist ihm, „die jungen Spieler an die zweite Mannschaft heranzuführen“.
Seine HSG Schröttinghausen/Babenhausen sei, so verkündet Trainer Udo Kompa, weiter als zum selben Zeitpunkt der Vorsaison. Lediglich im taktischen Bereich fehlten noch ein paar Prozent. Der Kader ist verjüngt und rappelvoll: „Wenn alle da sind, habe ich 17 Mann.“ Ein Pluspunkt wird das feste Torhüter-Gespann sein. Der aus Warstein gekommene Christian Schmidt verfügt über Verbandsliga-Erfahrung. Kompa erklärt optimistisch: „Platz vier ist durchaus erreichbar.“
Mit gedämpfter Euphorie geht die TSG Altenhagen-Heepen II in die Serie. Coach Martin Räber meint etwas ratlos: „Ich befürchte, dass wir erst in der Rückrunde zur nötigen Eingespieltheit finden.“ Besonders schwer wiegt der Weggang von Toni Lippert. Außerdem sei die Vorbereitung durch „massive Probleme“ geprägt gewesen. Immer wieder fehlten Spieler. Pluspunkt des Teams: „Die Einstellung passt. Die Truppe kämpft immer.“
TuS 97 peilt den Aufstieg an
FRAUENHANDBALL: Alles ist möglich
Ivo Kraft
Bielefeld (ivo). Bei den überkreislich spielenden Frauen-Mannschaften ist in dieser Spielzeit alles in der Verlosung sein. Neben Aufstiegshoffnungen und Mittelfeldplätzen dürfte es auch Mannschaften geben, die einzig um den Ligaverbleib werden kämpfen müssen.
• Verbandsliga: Schröttinghausen/Babenhausen etwa ist wie schon in den vergangenen beiden Jahren ein Kandidat für untere Tabellenregionen. Eigentlich hatte Trainer André Pohl endlich den Blick gen Mittelfeld richten wollen. Doch dann kam der Ausfall so wichtiger Führungsspielerinnen wie Uhlworm und Torke. „Jetzt, wo wir endlich Ersatz für Birte Willeweit im linken Rückraum haben, gibt es plötzlich auf der Mitte und im rechten Rückraum Probleme“, so Pohl. Da in dieser Saison zudem gleich drei Teams absteigen werden, ist das Ziel wieder bescheidener formuliert. „Erstmals am vorletzten Spieltag die Klasse sichern.
“Das würde Aufsteiger HT SF Senne wohl auch passen, auch wenn Coach Lutz Wilhelm einen Mittelfeldplatz anpeilt. „Mit dem Abstieg sollen sich andere rumschlagen“, so Wilhelm, der auf einige gute Testspiele verweist. „Manche Sachen sitzen zwar noch nicht richtig, so dass wir noch ein, zwei Wochen mehr Zeit bräuchten. Andererseits brennen die Mädels darauf, dass es endlich losgeht.“
• Landesliga: In ganz anderen Tabellenregionen als die Verbandsligisten denkt der TuS 97. Auf der Homepage des Vereins steht, dass die Mannschaft „ganz oben“ mitspielen will, und auch Trainerin Tanja Höner gibt offiziell den Aufstieg als Ziel aus. In der Hinterhand hat Höner die Talente aus der A-Jugend-Regionalliga und der Reserve, auf die der TuS 97 zumindest im Saison-Endspurt zurückgreifen könnte. Als größte Aufstiegs-Konkurrenten gelten Hüllhorst und Nordhemmern. Aufsteiger TuRa Bielefeld dürfte eine gute Rolle in der neuen Klasse spielen. „Im linken Rückraum haben wir arge Personalprobleme. Aber der Rest der Mannschaft zieht voll mit, und die Chemie untereinander stimmt“, sagt Coach Burkhard Feige.
• Bezirksliga: Die beiden Reserven aus Jöllenbeck und Senne sind wie jedes Jahr Kandidaten für das Mittelfeld. Der TuS 97 II hat einige gute Verstärkungen und mit Tina Steinsiek eine junge Trainerin, die dem Team neue Impulse verleihen wird. In der Senne wird es wieder darauf ankommen, wie gut die Routiniers durch die Saison kommen und wie mit dem recht dünnen Kader umgegangen wird.